Marie-Claude CASABO

 

Casabo oder das Rauschen der Farben

Kurz nach ihrer Ausstellung an der Plattform MJC in Dieppe zeigt Marie-Claude Casabo eine neue Reihe von künstlerischen Arbeiten im Haus Henri IV in St. Valery en Caux. Das ist für uns die Gelegenheit, unsere Begegnung mit der Künstlerin zu vertiefen.

Als Autodidakt hat Marie-Claude Casabo nie die Beaux-Arts besucht und findet ihre Intuition in der Zuflucht ihres Ateliers in Darnétal. Hier eröffnet sich ihr ein Spektrum, in dem sich die zerbrechliche Anordnung der jeweiligen Jahreszeit entwickelt. Diese kaum wahrnehmbare aber unablässige Bewegung ist das Geheimnis ihrer Kreationen. Verankert in ihrer zeitgenössischen Haltung hat M.C. Casabo eine Vorliebe für abgenutzte Farben, leicht gedämpft, die Striche schnell und flüchtig. Sie werden bei ihr keine sterilen Farben aus der Tube finden. Ihr Wohlbefinden bezieht sie aus einer abgestuften Palette von Grautönen. Sie zeigt ihr Werk unter generischen Titeln wie – Gärten – Dialog Flüstern – und arbeitet zum Beispiel auf Leinwand, Aquarell-Papier, Seidenpapier und benutzt Collagen und andere Mischtechniken, die an Zwiebelschalen erinnern. Bei der Betrachtung sieht man ihre Bilder wie die fragmenthaften, ungeordneten Bilder der Vergangenheit im menschlichen Gedächtnis.

Im Bewusstsein der Vergänglichkeit des Daseins und des Unbeständigen hat sie ihre Kunst zu einer Art Yoga gemacht, die sie in einen meditativen Zustand der Schwerelosigkeit versetzt. Ihre Arbeit bewahrt gleichzeitig alle Kraft und den Lebensfluss. In einem jüngsten Werk hat sie eingeschriebene Texte verarbeitet, und man kann ohne weiteres von Papiertüren sprechen, eine Formulierung, die uns an den Fernen Osten erinnert. ”Malen„ sagte Bissière, ”ist weniger einsam in dieser elenden Welt sein. Das ist sich an andere Lebewesen wenden. Um weniger zu frieren„. Er wagte auch zu äußern: ”Ich glaube weder an Erziehung noch an Erfahrung, nur an die primitiven Instinkten der Primaten„. Aber was haben wir aus diesem Instinkt in unserer hoch pädagogischen Gesellschaft gemacht?

Wenn M.C. Casabo von ihrer Arbeit spricht, räumt sie der Natur eine zentrale Bedeutung in ihrer Kunst ein, eine Haltung, die sich paart mit einer gewissen poetischen Weltlichkeit, daher der Titel ihrer Ausstellung – Dialog Flüstern -, der uns eher an Musik als an plastische Kunst denken lässt. Aber wer weiß, inwieweit diese Bereiche verbunden sind, der ahnt auch die tief greifende Logik des Kosmos.

Luis PORQUET, Kunstkritiker
Les Affiches de Normandie, 18. August 2004

Übersetzung von Dominique STEGELMEIER